Hintergründe
Marina Baranova & Damian Marhulets

Atlas of Imaginary Places

Digitales Programmheft

Marina Baranova & Damian Marhulets

Sonntag, 12. November 2023 | 19:30 Uhr | Elbphilharmonie, Kleiner Saal

Programm

Marina Baranova

Leviathan Town
Islands Adrift
Diamond Desert
Constellation Machine
In Limbo of Dreams Unresolved
The Lake of a Thousand Eyes
The Canopy of Heaven
The Rainbow Bridge
aus: Atlas of Imaginary Places

 

Marina Baranova & FLEX Ensemble

White Letters
The Girl With the Flaxen Hair
Celestial Serenade
Kolyada
Birth of the Sun
 

Marina Baranova & Damian Marhulets

While You Were Asleep
A Dreamer’s Tale
Little Things
Nyx
Turning North
Lunar Playground

aus: Lilith Lullabies

 

Marina Baranova, Damian Marhulets & FLEX Ensemble

Black Rainbow
Grindhouse
Dusk
Half-light

 

Zugabe:

Alternating Thirds (Marina Baranova, Damian Marhulets, FLEX Ensemble)

Besetzung

Marina Baranova Klavier

Damian Marhulets Live-Elektronik

 

FLEX Ensemble

Kana Sugimura Violine

Anna Szulc Viola

Martha Bijlsma Violoncello 

Marina Baranova © Gregor Hohenberg
Marina Baranova © Gregor Hohenberg

Neue Heimat

Wenn eine Welt nicht mehr reicht, erfindet man sich eine neue. Klingt pragmatisch, ist aber fast immer eine schwer gefällte Entscheidung. Das war auch bei den Eltern von Marina Baranova so, als sie vor fast 25 Jahren entschieden, ihre Heimat Ukraine zu verlassen. Die Welt, in der die beiden als erfolgreiche Musiker wirken konnten, reichte nicht mehr – zumindest nicht für ihre Tochter Marina.

 

Die konnte inzwischen so gut Klavier spielen, dass niemand im weiteren Umfeld von Charkiw, ihrer Geburtsstadt, aufzufinden war, der Marina Baranova noch etwas hätte beibringen können. Deutschland war da vielversprechend, also zog die Familie nach München, wo die Eltern heute noch leben. Marina Baranova allerdings zog weiter, in Richtung Hannover. Dort an der Musikhochschule unterrichtete Wladimir Krainew, der überhaupt der Grund war, dass Marina Baranova Pianistin werden wollte. 

 

Ihn hatte sie als Achtjährige in Charkiw gehört, als er das dritte Klavierkonzert von Sergej Prokofjew spielte. Und ihre Entscheidung zur Berufswahl stand danach fest. 

Der Umzug nach Hannover ist aber eben auch der Beginn einer neuen Welt – eine Welt, die Marina Baranova nicht guttut. Der Leistungsdruck, die Wettbewerbe, die Konkurrenz … Äußerlich meistert sie das alles mit Bravour, aber im Inneren sieht es anders aus: leer, gelangweilt, traurig. 

 

An diesem Punkt in ihrem Leben erinnerte sich Marina Baranova an das, was sie als Kind schon am liebsten getan hatte: „Ich habe genau so, wie meine Eltern ihre Notenbücher auf das Notenbrett gestellt haben, meine Bilderbücher dort hingestellt und zu den Bildern improvisiert. Das war, bevor Unterricht und Leistungsdruck dazukamen.“

Ich habe genau so, wie meine Eltern ihre Notenbücher auf das Notenbrett gestellt haben, meine Bilderbücher dort hingestellt und zu den Bildern improvisiert.

Vulkanausbruch zu Pandemiezeiten

Und als sich Marina Baranova erst von den Regeln und Gesetzen der klassischen Klavierausbildung befreit hatte – zum Missfallen von Wladimir Krainew – ging es los. „Es war wie ein Vulkanausbruch!“

 

2021, als die Konzertsäle geschlossen und Künstler:innen gezwungen waren, andere Ausdrucksmöglichkeiten zu finden, ließ sich Marina Baranova von Freunden Fotos und Bilder schicken. Die stellte sie, wie damals ihre Bilderbücher, auf ihr Klavier und improvisierte los. 

 

Einige dieser „Bilder einer anderen Ausstellung“ (in Anlehnung an Modest Mussorgskys berühmten Werkzyklus) übergab sie ihrem Freund, dem ukrainischen Schriftsteller Volodymyr Kompaniets. Der fand Worte zur Musik – Worte, die die neue Welt, die Marina Baranova erfunden hatte, landschaftlich beschrieben. Ein anderer Freund der Pianistin, der in Leipzig lebende dänische Künstler Christian Gundtoft übersetzte die Musik in Farben und Formen – ohne die Texte von Kompaniets gelesen zu haben.

Das Gesamtergebnis ist verblüffend. „Ein echter Gänsehautmoment“, schwärmt Marina Baranova noch heute. Es war, als hätten alle drei dieselbe Welt besucht. Das, was dort zu hören, zu lesen und zu sehen war, lieferte einen erschöpfenden Eindruck eines Ortes, den zuvor noch niemand betreten hatte. Atlas of Imaginary Places beschreibt in 17 Texten/Bildern/Stücken eine Realität, die unserer spürbar überlegen ist.

Aus anderer Perspektive

Ein Stück auf diesem Album, „Constellation Machine“, ist wie eine Brücke. Keine, die in unsere Welt reicht – so einfach macht Marina Baranova es uns nicht. Das Stück ist eine Brücke in eine zweite Welt. Eine, die von Damian Marhulets erfunden wurde. Der Ehemann von Marina Baranova ist ebenfalls Künstler. Für ihn fühlte sich „Constellation Machine“ an wie eine Aufforderung. 

 

Und deswegen erzählt er auf seinem gleichnamigen Album von den fantastischen Orten, die seine Frau zusammen mit Volodymyr Kompaniets und Christian Gundtoft erfunden hat – aber eben aus seiner Perspektive. 

 

Auch Damian Marhulets holte sich weitere Stimmen dazu. Auf dem Album singt Line Bøgh eigene Texte, ein kleines Ensemble aus Streichern und Klavier vervollständigt einzelne Passagen zu einem ganz rauschig-körnigen Klang. Und Christian Gundtoft zeichnete auch hier die neue Welt oder vielmehr den Himmel, der sich über den „Imaginary Places“ von Marina Baranova aufspannt.

 

Als musikalische Verstärkung haben Marina Baranova und Damian Marhulets zum Konzert in der Elbphilharmonie drei Viertel des FLEX Ensembles mitgebracht – eines experimentierfreudigen Klavierquartetts, das die Begeisterung der beiden für außergewöhnliche Formate und experimentelle Präsentationen teilt. Den Klavierpart der Quartettformation übernimmt Marina Baranova an diesem Abend selbst.

Reingehört

Inspirationen für Damian Marhulets’ „Constellation Machine“

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